Interview mit Gert Wagner – Fotograf und Filmemacher


Der Kölner Business- und Industriefotograf Christian Ahrens im Gespräch mit dem bekannten Fotografen und Filmemacher Gert Wagner über die Situation in der Fotografie heute

Gert Wagner lebt als Fotograf und Filmemacher in Norddeutschland. Er hat für große Magazine (von Stern bis GEO), Agenturen und internationale Konzerne gearbeitet. Viele seiner Bilder wurden weltweit veröffentlicht und erhielten zahlreiche Preise. Heute produziert er Dokumentar- und Corporate Filme als Kameramann und Regisseur.

Christian Ahrens: Herr Wagner, in den 80er und 90er waren Sie für die Großen der Branche als Fotograf tätig, ehe Sie sich dem Medium Film und Video zuwandten. Wie würden Sie diese Zeit aus der Sicht eines Berufs-Fotografen beschreiben?

Gert Wagner: Abwechslungsreich und wild, mit großzügigen Budgets und großen Ansprüchen. Hohe Qualität war Trumpf. Es wurde viel gereist, weil es Photoshop noch nicht gab, Authentizität war eine Selbstverständlichkeit.

Christian Ahrens: Mit dem Jahrtausendwechsel kam die Digitalisierung in der Fotografie. Die Technik, aber auch die Märkte veränderten sich. Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklungen?

Gert Wagner: Mit der Technik wurden die kühnsten Träume wahr: keine Belichtungs- und Qualitätsunsicherheiten mehr, phantastische Möglichkeiten in der Nachbearbeitung, handliche Technik. Ein Paradies. Die Veränderung der Märkte ist dagegen gewöhnungsbedürftig: inflationäre Bilderflut, geschrumpfte Budgets, veränderte Strukturen auf der Kundenseite, viel Scharlatanerie auf der Produktionsseite.

Christian Ahrens: War Ihre Hinwendung zum filmischen Medium und zu Corporate Filmen eine Reaktion auf die veränderte Marktsituation?

Gert Wagner: Nein. Aber die erschwingliche digitale Technik hat mir die Möglichkeit gegeben, meinen Traum vom Filmemachen zu verwirklichen.

Christian Ahrens: Trotz alledem drängen nach wie vor viele junge Leute in die professionelle Fotografie. Fotograf gilt immer noch als eine Art Traumberuf. Wird die Fotografie Bestand haben? Hat der Nachwuchs eine Zukunft?

Gert Wagner: Natürlich. Schauen Sie nur sich selbst an: Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie man mit Einfallsreichtum und Elan Erfolg und Spaß in der Fotografie haben kann. Aber Sie wissen es selbst: dieser Job ist nichts für Weicheier.

Christian Ahrens: Stichwort Ausbildung – man kann Fotografie handwerklich erlernen, sich ihr im Rahmen eines Hochschulstudiums nähern, ein Voluntariat anstreben oder es als Quereinsteiger auf eigene Faust versuchen. Welche Empfehlungen würden Sie jungen Leuten geben?

Gert Wagner: Das sollten Sie mich nicht fragen, denn ich bin als Autodidakt eingestiegen und habe nie das Gefühl gehabt, etwas versäumt zu haben. Ist wohl eine Sache der Mentalität, vielleicht auch der technischen Begabung. Sicher gibt es viele, die eine solide Ausbildung als Basis brauchen. Allerdings sollte man in der Wahl sehr sorgfältig sein und sich genau anschauen, ob das Ausbildungsprogramm den eigenen Vorstellungen entspricht. Aber wer es sich zutraut, kann’s auch selbst erlernen.

Christian Ahrens: Wie war Ihr eigener Weg in die professionelle Fotografie?

Gert Wagner: Ich bin immer mit meinen Aufgaben gewachsen, in den ersten Jahren viele davon selbst gestellt. Man muss sich was zutrauen, dann klappt fast alles, spätestens im zweiten Durchgang.

Christian Ahrens: Ist eine solche Karriere heute noch denkbar?

Gert Wagner: Warum nicht? Aber es gehört Mut dazu, denn es ist nicht jedermanns Sache, immer mit ungewissem Einkommen zu leben.

Christian Ahrens: Die technische Entwicklung in der digitalen Fotografie ist rasant, die anstehende Photokina wird wieder viele Neuerungen zeigen und Grenzen verschieben. Man gewinnt manchmal den Eindruck: Die Technik macht das Bild. Wird der Fotograf überflüssig?

Gert Wagner: Die Motivglocke ist noch nicht erfunden. Aber selbst dann muss noch einer die Kamera halten. – OK, die Technik macht das Bild, aber die Inhalte kann nur der Profi vermitteln.

Christian Ahrens: Gut ausgebildete und begabte junge Fotografen gibt es viele – der Weg zum Erfolg ist aber oft steinig. Ihr Tipp für den Einstieg ins Berufsleben?

Gert Wagner: Mut zum Risiko, hohe Flexibilität, Experimentierfreude, viele Fotos und Filme bewusst anschauen, selbstkritisch bleiben.

Christian Ahrens: Werfen wir einen Blick auf den Amateurmarkt. Der Fotoindustrie geht es gut, digitale Kameras sind seit Jahren der Renner. Wie schätzen Sie die aktuellen Entwicklungen ein?

Gert Wagner: Da wir schon mit unserem Telefon fotografieren können, ist das Bildermachen zur alltäglichen Selbstverständlichkeit geworden. So einfach, so viel Spaß und Erfolgserlebnisse! Leider auch sehr inflationär, wie gesagt.

Im Profibereich müssen wir aufpassen, dass Qualität sich durchsetzt, das schulden wir auch unserem Berufsbild. Oft sind es aber schon die Auftraggeber, die in der Beurteilung unsicher sind und damit das Niveau runterdrücken. Deshalb muss der Profifotograf selbstsbewusst für Qualität und Anspruch werben, was ein Amateur nicht unbedingt liefern kann.

Christian Ahrens: 2003 haben Sie Ihren Erfahrungsschatz in ein bemerkenswertes Buch einfließen lassen: „Beruf: Fotograf“. Kürzlich erschienen diese Texte als iPhone und iPad-Versionen neu. Erzählen Sie uns von dem Projekt!

Gert Wagner: Es ist kein typisches Lehrbuch, mehr eine illustrierte Geschichtensammlung aus meinem Fotografenleben. Leicht zu lesen, aber am Ende wird man mehr wissen, als ein trockenes Fachbuch vermitteln kann. Was ich mir über Jahre erarbeitet habe, wird hier komprimiert zum Nachmachen präsentiert.

Christian Ahrens: Fotos machen ist heute einfacher denn je, aber wirkungsvolle Fotos zu gestalten, setzt immer noch Können und Wissen voraus. Ihr ultimativer Ratschlag an Menschen, die von der Leidenschaft für die Fotografie befallen sind?

Gert Wagner: Alles sehen, vieles leben, manches wagen, fleißig fotografieren. Damit findet man auch seinen eigenen Stil. So ist es mir jedenfalls ergangen.

Eine ausführliche Rezension von Gert Wagners „Fotopraxis“ finden Sie in dem Blog von Christian Ahrens.

3 Kommentare zu „Interview mit Gert Wagner – Fotograf und Filmemacher“

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