Analoge Fotografie

Wieso ich wirklich analog fotografiere


Von Markus Thoma

Es war ein sonniger Nachmittag. Ein befreundeter Fotograf fragte mich, ob ich ihn abends bei einem Shooting begleiten will, um ebenfalls etwas zu fotografieren. Ich war gerade selbst tief in meiner digitalen Nachbearbeitung versunken und kam wieder einmal kaum hinterher. An neuem, unbearbeiteten Material mangelte es mir also eigentlich nicht.

Ich hatte aber trotzdem Lust zu fotografieren. Also schnappte ich mir später meine analoge Canon A1 Kamera. Kurz einen Ilford Hp5 Film eingelegt und los ging’s. Wir trafen uns zusammen mit dem Model und fotografierten dann abwechselnd an verschiedenen Locations. Mein Kumpel klickte mit seiner digitalen Nikon fröhlich vor sich hin und machte bei jedem Spot seine 10 Fotos. Dann war ich an der Reihe. Das fokussieren dauert mit der analogen Kamera meistens minimal länger aber dann – Klick. Ein knackiger Shuttersound bestätigt, dass die ca. 40 Jahre alte Technik noch gut ihren Dienst macht. Darauf folgte noch ein Foto von der Pose, nur um sicher zu gehen. Das war’s. Wir zogen weiter.

Analoge Fotografie

Analoge Fotografie

Mein Kumpel hatte noch nie wirklich analog fotografiert. So wie ich es auch immer auf meinem eigenen Fotografie Blog schreibe, habe ich es ihm nun ebenfalls empfohlen. Ich sagte, er soll doch auch einmal mit Film fotografieren. Er fragte warum.

Ich wusste, dass er zwischen seinem Hauptjob und der Fotografie kaum Zeit hat und dadurch manchmal etwas gestresst ist. Deshalb meinte ich nur:

Analog zu fotografieren ist für mich wie Urlaub

Wenn man Leute fragt, wieso sie analog fotografieren, kommen oft die unterschiedlichsten Antworten zu hören. Von der Bedienung der alten Technik bis hin zu den charakteristischen Filmlooks – diese Art der Fotografie wird auch 2016 noch von vielen Fotografen wert geschätzt. Hier zählt natürlich auch die Spannung dazu, dass man noch nicht gleich sieht, was man eigentlich gerade fotografiert hat.

Analogfotografie

Analogfotografie

An diesem Tag waren aber nicht nur diese Aspekte der analogen Fotografie der ausschlaggebende Grund für mich. Ich selbst war einfach auch in der Nachbearbeitung digitaler Fotos eingespannt und wollte mich einfach mal auf das wesentliche konzentrieren: Das Fotografieren.

Vielleicht kennst du das ja:

Du bist auf einem Fotoshooting mit deiner digitalen Kamera. Nebenbei vibriert dein Handy in der Tasche und das komplette Internet prasselt einmal wieder auf dich ein. Whatsapp, Facebook, Instagram. Alle Plattformen wollen wieder mit Informationen von dir versorgt werden. Am besten sofort, um auch alle abwesenden Menschen zu unterhalten.

Auch bei der Nachbearbeitung bzw. wenn man das fertige Foto gerade abspeichert hast du vielleicht auch schon wieder diese Social Media Gedanken:

Du musst ja schließlich irgendwie Fans generieren. Im Kopf spielst du heimlich mit dem Gedanken, wie viele Likes das Foto wohl später bekommen wird. Hoffentlich mindestens 80 – sonst war das hier wohl alles für die Katz. Ansonsten war das Bild wohl nicht gut genug und du kannst von vorne anfangen.

Vielleicht wird das Foto ja auch von irgendeiner großen Facebook- oder Instagram Seite geteilt. Mann, wie viele Follower würdest du wohl dadurch bekommen? Oder wenn das Foto in einer Fotografie Gruppe von Anfang an ein paar Likes bekommt und dann versehentlich doch für mehr als fünf Leute sichtbar wird? Was ist, wenn es garnicht gut ankommt und du nur Kritik bekommst? Oder ich dadurch sogar Likes verlierst? Was ist, wenn die Fotos von den anderen Fotografen wieder mehr Likes bekommen als die Eigenen?

Stop!

Falls du dich gerade irgendwo wiedererkannt haben solltest: Es reicht! Du brauchst eine Pause. Eine kleine analoge Auszeit.

Die Canon A1 (beliebt ist auch die AE1) gibt es z.B. für wenig Geld gebraucht zu ersteigern. Dazu ein passender Film und losgeht’s. Weg vom Schreibtisch, raus aus der digitalen Welt, raus aus dem Internet. Back to the roots. Das ganze einmal etwas vereinfachen. Keine 20 Fotos machen, dafür aber zwei mit Gewissheit. Am besten lässt man bei einer solchen Fototour auch das Smartphone zu Hause. Es geht eben auch darum, alle Ablenkungen einmal sein zu lassen. Es gibt nur dich, deine Kamera und das Model. Mehr nicht. Du wirst sehen, dass du schnell in einen tiefen fotografischen Flow kommen wirst.

Du schießt nicht einfach drauf los, sondern überlegst dir vor jedem Foto zweimal, ob du es wirklich so haben willst.

Fotografie Analog

Dies ist für mich, natürlich auch neben den positiven Gründen, das Hauptargument, um immer wieder analog zu fotografieren. Einfach einmal den digitalen Fotografen Alltag entschleunigen. Keine Ablenkungen, keine Likes, keine Vergleiche. Einfach abschalten und machen. Wer es also noch nicht selbst ausprobiert hat, dem kann ich es nur zwingend empfehlen sich einmal damit auseinander zu setzen. Auch wenn man noch nicht viel Ahnung davon hat.

Die Bedienung der Kamera wirst du hinbekommen – die Canon A1 beispielsweise bietet bereits alle Kamera Einstellungen, wie man sie auch noch bei aktuellen Kameras kennt: AV, TV, Manuell und auch in Vollautomatik kann fotografiert werden. Selbst wenn man sich selbst noch nicht an die Entwicklung danach traut: Man kann die Filme auch getrost von anderen Leuten für wenig Geld entwickeln lassen.

Analog

Bis zu dem Tag, wo du die Fotos dann zurück bekommst, wirst du es vor Spannung kaum aushalten. Was hast du eine Woche vorher gemacht? Hat es geklappt? Ich weiß noch, als ich die ersten Fotos zurückbekommen habe, die ich mit dem Ilford schwarz-weiß Film fotografiert habe: Der Look war einfach großartig. Und das ohne stundenlang zu bearbeiten. Sondern einfach direkt aus der Kamera.

Und noch schöner Aspekt

Wo landen deine Fotos eigentlich? In der Regel werden die Fotos nach der Bearbeitung im Internet auf verschiedene Social Media Plattformen oder Fotografen Communities geladen. Bekommen einige Likes. Und dann? Fertig. Sie verschwinden im Daten Nirvana.

Nach der analogen Entwicklung bekommst du deine Fotos jedoch direkt als Prints. Wann hast du das letzte mal deine Fotos ausgedruckt in der Hand gehalten? Dieses Gefühl hat man im digitalen Alltag leider viel zu selten.

Soweit so gut. Ich hoffe ich konnte den ein oder anderen motivieren, sich einmal mit der analogen Fotografie auseinander zu setzen. Falls ihr selbst schon öfter analog fotografiert habt: Was reizt euch an dieser Art der Fotografie am meisten? Schreibt es in die Kommentare.

 

Autoreninfo

Markus-Thoma-160
Der Autor dieses Beitrags ist Markus Thoma. Seit 2010 hat er die Fotografie als kreative Tätigkeit entdeckt und arbeitet seitdem als Fotograf und Designer. Seit August 2015 gibt er sein Wissen auf seinem Foto Blog weiter. Hier vermittelt er in Verbindung mit seinem kostenlosen Ebook über Available Light Fotografie, kreativere Porträts zu fotografieren und den fotografischen Blick weiter auszuprägen.

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13 Kommentare zu „Wieso ich wirklich analog fotografiere“

  1. Ein wunderbares Plädoyer für die Analog-Fotografie. Sie entschleunigt nicht nur, sondern zwingt auch zum genaueren Hinsehen und überlegteren Fotografieren. Ich stecke seit 2003 in der Digitalfotografie und vermisse immer noch das schöne große Sucherbild meiner 6 x 7 MIttelformatkameras samt dem wunderbaren 250 mm Objektiv von Mamiya, dessen Eigenschaften ich noch nirgendwo gefunden habe. Ganz abgesehen von der früheren Großformatfotografie mit Sinar, die heute irgendwo in meinem Schrank fest und tief schläft. — Digitalkameras verleiten zum „Knipsen“ – stelle ich auch bei mir fest + muss mich immer wieder zur Ordnung rufen……….. ! In den Urlaub fahre ich dann mit einer Analog-Kamera. Grüße

    1. Hallo Birgit!
      Ja, man braucht immer mal wieder etwas Abwechslung. Das mit dem Knippsen kann man dann aber immer öfter auch ablegen, wenn man einmal wieder analog fotografiert hat. Ich setze mir immer zum Ziel, mit der Digitalen dann auch so „lange“ zu überlegen wie mit der Analogen und mir etwas mehr Zeit zu nehmen.
      Gruß, Markus

  2. Kleiner Tip am Rande. Man kann auch analoge Bilder ausflecken. Sowohl mit dem Pinsel auf dem Abzug als auch digital im Scan. Was ich damit sagen will, analog Bilder müssen heutzutage nicht immer unbedingt aussehen, als hätten Sie bei der letzten WG Party auf dem Küchenfußboden gelegen. Ich glaube der Trash-Trend ebbt langsam ab. 🙂

    Gruss Sven.

  3. Hallo Markus

    ein sehr erfrischender Text und ich kann dir nur vollkommen Zustimmen. Auch ich packe hin und wieder meine analoge Kamera aus, um der „digitalen Hektik“ zu entfliehen. Aber wie du auch schon meintest, versuche ich mir auch mehr Zeit mit der digitalen Kamera zu nehmen.

    Beste Grüße

    Nora

  4. So geht es mir auch. Analog zu fotografieren entschleunigt mich.
    Zudem habe ich meine analoge Cam meisten im Urlaub dabei und somit verbinde ich es mit entspannten Zeiten.

    Da ich mich aber nie so wirklich tief damit beschäftigt habe kann ich nie ganz genau sagen wie die Bilder aussehen werden. Genau das gefällt mir daran. Es macht einfach Spaß seine Abzüge ein paar Wochen nach dem Shoot in der hand zu halten und dann Bilder zu entdecken an die man schon gar nicht mehr gedacht hat.

    Gruß, Philipp von Parker Arrow

  5. Ich mache schon lange wieder analog und genieße all die schönen Vorteile , die dein Artikel beschreibt . Aber genau wie Schallplatten eben nicht knistern müssen , gehört auf einen anständigen Abzug auch kein Staub und keine Fussel .

    Entweder dem Labor eins aufs Dach geben oder selbst ordentlich arbeiten: den Film antistatisch nachbehandeln (mirasol) kostet paar Euro und reicht für 1000de Filme , die bildbühne im vergrösserer staubfrei halten und beim scannen sauber arbeiten .

    Es ist immer schade , wenn die alten Technologien genutzt werden , aber die Photos dann Fehler aufweisen , mit denen sich früher kein Laborant auf die Straße getraut hätte .

    Bei mir zuhause kommen auch die Kids und meinen „oh die knistert ja gar nicht die Schallplatte“

    Die Photos gefallen mir von den Motiven übrigens gut !

  6. Ich glaube ich mache das aus ähnlichen Gründen. Aber ich fands schon immer gut, wenn es „weniger Plastik und mehr echtes“ ist. Nicht nur in der Fotografie. Habe mir vor ein paar Jahren eine Pentax MX für nen Appel und nen Ei besorft. Einfach hammer das Ding. Das Sucherbild ist einfach riesig(!). Sogar im vergleich zu anderen Analog- bzw. Kleinbildkameras.

    Und dann ist da natürlich noch der Aspekt mit der technischen Spielerei. Vor allem, wenn man komplett ohne Belichtungsmessung, also rein mechanisch, fotografiert. 😀

  7. Pingback: Fotografie Blogbühne 2017 – Blickwinkel Fotografie || Vanessa von Wieding

  8. Sehr schöner Artikel – wir bauen mit Leidenschaft unsere analogen LEROUGE Pinhole Cameras – es macht Spaß entschleunigt zu fotografieren… Let’s shoot film und habe Spass – liebe Grüße aus Hamburg Marc

  9. man kann das durchaus mit digitaler technik erleben. einfach einen nd1000-filter vor die linse schrauben und schon überlegst du lange ob und wie du jetzt eine minute belichtest (ok – für ein model-dingens vllt. ungeeignet, aber für landschaften schon).
    wobei ich durchaus beide systeme benutze und finde beides hat seine berechtigung!°

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